Auszeichnung „Ehrenamt des Monats des Erzgebirgskreises“ November 2023: IG Historischer Erzbergbau Lößnitz e. V.
Was 1991 mit einer Maßnahme mit dem wenig spektakulären Arbeitstitel „ABM zur Freilegung des Reichenbach-Hoffnung-Stolln“ begann, nahm in der Folge mit der Gründung des Vereins ‚Interessengemeinschaft Historischer Erzbergbau Lößnitz e. V.‘ ungeahnte Dimensionen an. Im sogenannten Kuttengrund entstand ein Besucherbergwerk, ein Bergbaulehrpfad und über Tage liegende historische Gebäude wurden wiederaufgebaut. Bis heute fahren die Mitglieder Gang um Gang weiter auf und erforschen die Fundgrube. Ihr nächstes großes Ziel ist die Wiedererrichtung des einstigen Zechenhauses.
Wer Begriffe wie historischer Erzbergbau oder mittelalterliche Grubenbaue hört, mag zuerst an Abenteuer unter Tage denken und läuft unweigerlich Gefahr, einer zu romantischen Vorstellung von Altbergbau zu folgen. Für die Mitglieder des Vereins bedeuten sie in erster Linie harte, körperliche Arbeit. Das Auffahren der verfüllten Gänge und Schächte geschieht in Handarbeit. Taubes Gestein wird mit Schaufeln, Eimern und Radkarren aus dem Berg geschafft. Um die Jahrtausendwende waren es um die 400 Tonnen. „Dann haben wir aufgehört zu zählen“, gibt der Vereinsvorsitzende Jens Hahn unumwunden zu. „Ich schätze, bis heute sind wir ungefähr bei der doppelten Menge.“ Ab 1993 wurde vom Verein der Untere Reichenbach-Stolln mit Unterstützung der Wismut GmbH wieder aufgewältigt. Ein Jahr später fand die erste Mettenschicht darin statt und er war teilweise für die Öffentlichkeit wieder zugänglich. Die Flut im Jahr 2002 hätte fast das Ende des Vorhabens und infolgedessen auch das Ende des Vereins bedeutet. Mit der Unterstützung von Stadt, Landkreis und des Freistaates sowie Mitteln zur Regulierung von Flutschäden wagte der Verein einen Neubeginn. Bereits 2003 wurde die Reichenbach-Fundgrube als offizielles Besucherbergwerk wiedereröffnet. Bis heute legen Mitglieder der Interessengemeinschaft weiterhin Meter um Meter verfüllte Gänge frei, pumpen Wasser aus gefluteten Abschnitten der Anlage – einerseits um den Ausbau der Besucherstrecke weiter voranzutreiben, andererseits um die mittelalterlichen Grubenbaue weiterhin zu erforschen. Sie erkunden, vermessen, kartieren oder suchen in den Archiven nach Aufzeichnungen und Hinweisen. Die Ergebnisse ihrer Forschung macht ein knapp vier Kilometer langer Bergbaulehrpfad für die Besucher erlebbar. Als Bürgermeister der Stadt Lößnitz schätzt sich Alexander Troll ausgesprochen glücklich, dass sich der Verein mit so viel Leidenschaft und Engagement für den Erhalt von bergmännischem Brauchtum einsetzt: „Was der Verein unter Tage geleistet hat und weiterhin leistet, um den historischen Altbergbau der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist schier unfassbar. Mit der Schaffung des Bergbaulehrpfades, dem Wiederaufbau des Pulverturmes sowie der Kunstradstube und der Kultivierung des Areals haben die Engagierten einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, das Gelände zum Naherholungsgebiet zu entwickeln.“
Mit zahlreichen Veranstaltungen trägt der Verein auch inhaltlich dazu bei, dass das Areal gut besucht wird. Neben den Führungen unter und auf dem 4,5 Hektar großen Gelände über Tage bietet der Verein Sturmlaternenwanderungen an und veranstaltet ein Sommerfest sowie das „Haldensingen“. Ein Konzert an Himmelfahrt und die zwei Mettenschichten in der Adventszeit ziehen jährlich mehrere hundert Besucher an. Den Nachwuchs haben die Bergleute aus dem Kuttengrund ebenfalls fest im Blick. Grenzüberschreitend unterstützt der Verein seit mehreren Jahren Projekttage deutscher und tschechischer Schulen, um die Bergbaugeschichte der UNESCO-Welterbe Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří weiterzuvermitteln. Die überaus positiven Erfahrungen aus der Kooperation mit einer Förderschule haben gezeigt, dass sich das Angebot auch eignet, um einen Beitrag zur Inklusion zu leisten. Die ehrenamtlich Engagierten lassen sich einiges einfallen, um junge Menschen nachhaltig für Natur, Geschichte und Bergbau zu begeistern. Auch an anderer Stelle engagiert sich die Interessengemeinschaft Historischer Erzbergbau deutlich über den originären Vereinszweck hinaus. Lößnitz ist Bestandteil der Kulturhauptstadt 2025 – auch in diesem Kontext plant der Verein sich einzubringen. Vor einer großen Herausforderung stehen die Mitglieder nach wie vor: Seit 2008 kämpfen sie um Fördermittel, um das ehemalige Zechenhaus in seinem ursprünglichen Zustand wieder zu errichten. Das eingeschossige Gebäude mit Spitzboden soll auf einer Fläche von 75 m² den Verein in die Lage versetzen, in Zukunft weniger von der Witterung abhängig zu sein und das Angebot für Schulprojekte sowie für Besucherinnen und Besucher weiter ausbauen zu können. Ziel ist es, eine Begegnungsstätte für den deutsch-tschechischen Austausch entstehen zu lassen. Die Baugenehmigung liegt bereits vor und auch ein Tandempartner für das Förderprogramm auf tschechischer Seite ist bereits gefunden.
„Mit Blick auf das Erreichte hat der Verein in den vergangenen Jahren einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung touristischer Infrastruktur und zur Traditions- und Brauchtumspflege geleistet. Neben den eigenen haben die Engagierten auch gesellschaftliche Interessen im Blick und unter anderem dafür gesorgt, dass Schülerinnen und Schüler etwas über die Geschichte des Bergbaus in unserer Region lernen“, lobt Landrat Rico Anton die Arbeit der Bergleute. „Mit dem angestrebten Vorhaben zum Wiederaufbau des Zechenhauses zeigt sich sehr deutlich, dass es gerade für die Brauchtumspflege im ländlichen Raum auch strukturelle Fördermöglichkeiten braucht, mit denen sich bauliche Maßnahmen realisieren lassen.“
Für sein langjähriges und erfolgreiches Engagement wurde der IG Erzbergbau Lößnitz e. V. mit dem „Ehrenamt des Monats November“ ausgezeichnet. Stellvertretend erhielt Jens Hahn als Vorsitzender von der Fachstelle Ehrenamt des Erzgebirgskreises eine Urkunde, die erzgebirgische Holzfigur „HelD“ (Helfen und Danken) sowie eine Einladung zum Großen Regionalpreis des Erzgebirgskreises ERZgeBÜRGER.
Um ein noch besseres Bild von der Arbeit des Vereins zu bekommen, hat Frank Wutzler von der Fachstelle Ehrenamt mit ihm ein ausführliches Interview geführt. Dieses und weitere Informationen zum „Ehrenamt des Monats“ finden Sie auf der Website der Fachstelle Ehrenamt unter www.ehrenamt.erzgebirgskreis.de/edm.
Hintergrund:
Ehrenamt des Monats setzt sich fortlaufend für Wertschätzung und Bewusstsein von ehrenamtlichem Engagement ein
Mit der Kampagne „Ehrenamt des Monats“ hat die Fachstelle Ehrenamt des Landratsamtes Erzgebirgskreis eine neue Plattform geschaffen, um das ehrenamtliche Engagement im Erzgebirgskreis noch stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken. Einmal im Monat werden ein Verein, eine Initiative oder individuell engagierte Einzelpersonen mit dem Ehrenamt des Monats ausgezeichnet. Vorschläge können über ein Online-Formular unter der genannten Webadresse oder formlos postalisch unter dem Stichwort „Ehrenamt des Monats“ eingereicht werden.
Text: Erik Gläser
Foto v. l. n. r: Alexander Troll – Bürgermeister der Stadt Lößnitz, Bernd Martin, Peter Nötzel , Jens Hahn – Bergmeister, Brigitte Ostandt, Robin Jornitz, Erik Gläser – Leiter der Fachstelle Ehrenamt, Rainer Güttig, Roland Roth (Foto: Frank Wutzler)