„Singen des Steigerlieds“ – Laudatio und Übergabe der Urkunden zur Aufnahme ins Immaterielle Kulturerbe in Potsdam – sächsische Brauchtumswahrer waren dabei
- Festakt im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte würdigt halbes Jahrhundert lebendiger Traditionspflege
- Dank an Antragsteller, Landesverbände der Bergmanns-, Hüttenund Knappenvereine und Unterstützer
- Buch „Glück auf! Der Steiger kommt.“ gibt spannende Einblicke in die Geschichte des „bergmännischen Hauptliedes“
Im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam versammelten sich am 29. Juni 2023 Vertreter von 13 Trägergruppen, um in einem Festakt die Urkunde zur Aufnahme ihrer Kulturform in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes überreicht zu bekommen.
Darunter ist das „Singen des Steigerlieds“, für dessen Aufnahme sich neben den Antragstellern, dem Verein Ruhrkohle Musik e.V. in Herten, insbesondere der Sächsische Landesverband der Bergmanns-, Hüttenund Knappenvereine nachdrücklich und engagiert eingesetzt hat.
Für alle deutschen Standesvereinigungen des Berg- und Hüttenwesens übernahm der sächsische Verband die Koordination der Stellungnahmen und legte mit dem Buch „Glück auf! Der Steiger kommt.“ ein Grundlagenwerk vor, das als wertvoller Bestandteil Eingang in die Antragstellung fand. Aus diesem Grund konnte der 2. Vorsitzende des Sächsischen Landesverbandes der Bergmanns-, Hütten- und Knappenvereine, Bergkamerad Heino Neuber, die auf nur fünf mögliche Teilnehmer begrenzte Abordnung der Trägergruppe ergänzen und beim Festakt als
Vertreter aller Landesverbände die Würdigung mit entgegennehmen.
Denn es sind doch die Berg- und Hüttenleute einer jahrhundertelangen Generationenreihe, denen diese Ehrung der Aufnahme ihres „Hauptliedes“ in das Immaterielle Kulturerbe Deutschlands gilt – weiterlebend in der Arbeit der Brauchtumswahrer unserer Tage.
Das Fachkomitee Immaterielles Kulturerbe bei der Deutschen UNESCO Kommission verdeutlichte dies und „… würdigt den identitätsstiftenden und gemeinschaftsbildenden Charakter des Steigerlieds, welches in nahezu allen aktiven und ehemaligen Bergbauregionen Deutschlands
sowie auch von Gruppen außerhalb dieser Regionen gesungen wird. Hervorzuheben ist hierbei das Engagement der Trägergemeinschaft rund um den Erhalt der Kulturform.“
Eben dieses Engagement der Trägergemeinschaft möchte der Sächsische Landesverband der Bergmanns-, Hütten- und Knappenvereine aufgreifen, um sich bei den Antragstellern, der Lenkungsgruppe, den Unterstützern und allen Landesverbänden der berg- und hüttenmännischen Traditionswahrer in Deutschland für die fokussierten Bemühungen zu bedanken, die zu diesem deutschlandweit widerhallenden Erfolg führten.
Die ganz im Sinne des Liedes selbst durch Einigkeit und Verbundenheit, durch Zusammengehörigkeit und Gleichheit geprägten Vorarbeiten zeigen, dass – ganz bergmännisch gesprochen – durch gemeinsames Scharwerken und den Glauben an die daraus erwachsende Kraft jener Reichtum gewonnen werden kann, der das gesamtgesellschaftliche Vermögen schafft, dessen Zinsen lebendige Entwicklung darstellen.
Die erste Erwähnung des Liedes findet sich in dem 1531 in Zwickau erschienenen Liederbuch „Etliche hubsche bergk-reien / geistlich und weltlich zu samen gebracht.“ Der erste Beleg des ganzen Stückes ist in der Beschreibung eines Empfanges zu Ehren des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. in Schneeberg 1678 nachgewiesen. Als eigenständiges Werk wurde es dann mit der ursprünglichen Zeile „Wache auff :/: der Steyer kömmt …“ zuerst in dem um 1700 in Freiberg veröffentlichten „Berg-Lieder-Büchlein“ abgedruckt. 1708 empfing man August den Starken mit dem Lied in Johanngeorgenstadt.
Schon bald setzte die Übertragung in weitere montanistisch geprägte Kulturräume durch regen geistig-kulturellen Austausch innerhalb des Berg- und Hüttenwesens in vornehmlich der deutschen Sprache zugehörigen Gegenden Mitteleuropas und die darauf gründende Entstehung
eines bis in die Gegenwart verbindenden Ausdruckes gelebten deutschen Kulturerbes ein.
Das Lied berichtet eine spannende Geschichte, da wir heute ganz
bergmännisch gesprochen ein Konglomerat aus der sächsischen Grundlage und Einflüssen bzw. Zusätzen aus West- und Süddeutschland, Schlesien und Franken singen. Dazu gehören studentische Überlieferungen, ebenso trug die Wandervogelbewegung bei, das Lied zu formen. An vielen Stellen zeigen sich überraschende Zusammenhänge und Verknüpfungen, die das Lied zu einem einigenden Kulturbildner herausragender Art werden ließen.
Die Entstehung einer gut singbaren Textfassung bis in die jüngste Vergangenheit gehört dazu und zeugt im besten Sinne von einem auch nach 500 Jahren lebendigen „Volks“-Lied. Dabei gereicht die Einbeziehung vielfältiger, ebenso durch Gebrauch entstandener Ausprägungen der berg- und hüttenmännisch beeinflußten Kulturräume deutscher Sprache, in denen es nicht minder über Jahrhunderte lebendig geblieben, zu ausgesprochener Wertigkeit innerhalb der Gesamtüberlieferung. Es spiegelt zugleich die enge Verbundenheit aller Träger und
Bewahrer dieses Berg- und Hüttenwesens über die Zeiten.
Das heute nicht nur in deutschen Bergbaugebieten, sondern weltweit zum hymnischen Erkennungszeichen aller dem Berg- und Hüttenwesen zugeneigten Menschen gewachsene „Steigerlied“ belegt nicht nur dies. Es beschreibt den Prozeß einer wirklichen, weil – in diesem Falle – „fortgesungenen“ Tradition in deren eigentlichem Wesen.
Wer sich mit der Geschichte und Bedeutung unseres von Sachsen aus zu einem deutschen Volkslied gewordenen „Glück auf! Der Steiger kommt.“ beschäftigen möchte, dem sei unser in 2. Auflage erschienenes Buch unter gleichem Titel ans Herz gelegt und in die Hände empfohlen. Das
Buch ist über den Handel und beim SLV zu beziehen.
Text: Heino Neuber